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Einen Drehstrommotor einfach mal mit Wechselstrom betreiben?
Ich werde von Kunden immer wieder nach Kondensatoren gefragt, die damit einen Drehstrommotor bei Wechselstrom betreiben wollen. Die Schaltung nennt sich Steinmetzschaltung. Dazu gibt es aber viele falsche Vorstellungen.
Dass die Steinmetzschaltung aus einem Drehstrommotor einen gleichwertigen Wechselstrommotor macht, ist ein scheinbar sehr hartnäckiges Märchen.
Der Drehstrommotor, der gar kein Drehstrommotor ist
Nicht jeder Motor, der einen Kondensator hat, ist ein Drehstrommotor, der mal für Wechselstrom umgestellt wurde.
Motoren mit Kondensator (Kondensatormotoren) sind fast ausnahmslos Wechselstrommotoren, die völlig anders aufgebaut sind wie Drehstrommotoren.
Wechselstrommotoren haben eine Arbeitswicklung und eine Hilfswicklung. Der Kondensator ist mit der Hilfswicklung in Reihe geschaltet.
Ob es ein Wechselstrommotor ist, erkennt man am Typenschild oder beim Blick in den Klemmkasten. Kommen 3 oder 4 Ausführungen aus dem Motor, ist es ein Wechselstrommotor. Bei 3 Ausführungen sind Arbeits- und Hilfswicklung in der Motorwicklung verbunden.
Die Klemmen am Klemmbrett haben in der Regel die Bezeichnungen U1 und U2 für die Arbeitswicklung und Z1 und Z2 für die Hilfswicklung.
Der richtige Drehstrommotor, die Steinmetzschaltung und warum die nichts taugt
Viele glauben, dass man einfach einen Kondensator an einen Drehstrommotor hängen kann und schon läuft der Motor wie geschmiert mit Wechselstrom. Geht aber nicht.
Nicht umsonst unterscheiden sich Drehstrommotoren und Wechselstrommotoren grundsätzlich im Aufbau der Motorwicklung. Der Drehstrommotor ist eben für Drehstrom gemacht und nicht für Wechselstrom.
Man kann mit der Steinmetzschaltung sicher einen Drehstrommotor mit Wechselstrom laufen lassen. Das funktioniert aber nur bedingt, nicht bei allen Motoren und ist immer mit ziemlich heftigen Verlusten verbunden.
Leistungsverlust bei der Steinmetzschaltung
Ein Drehstrommotor in Steinmetzschaltung hat ca. 30% Leistungsverlust und nur noch ein sehr geringes Anlaufmoment.
Motoren in Steinmetzschaltung unter Last anlaufen lassen, geht nicht. Ich bezweifele, dass es ein solcher Motor schafft, eine Brennholzsäge mit großem Sägeblatt in Gang zu bekommen, geschweige denn einen Kompressor.
Heißt also im Klartext, dass solche Motoren nur funktionieren, wenn keine Last dran hängt, keine Schwungmasse zu drehen ist, usw.
Bei welchem Motor funktioniert die Steinmetzschaltung überhaupt?
Bei Motoren unter 2,2 kW kann man sein Glück versuchen.
Bei Motoren, die bei Drehstrom im Dreieck geschaltet waren (Spannungsangabe 400/690V), geht es grundsätzlich nicht.
Der Drehstrommotor hat pro Phase einen Wicklungsstrang, der bei Dreieckschaltung für 400V ausgelegt ist. Im Wechselstromnetz haben wir aber nur 230V. Dem Motor fehlen also 170V, damit er die Spannung bekommt, für die er gemacht ist.
Schauen wir uns also mal einen Motor an, der bei Drehstrom in Sternschaltung betrieben wird (Spannungsangabe 230/400V).
Bei Drehstrom liegen von Phase zu Phase 400V an, von Phase zum Sternpunkt messen wir 230V.
Die Strangspannung, für die der Motor ausgelegt ist, ist 230V. Dafür wurde er gemacht.
Der Sternpunkt ist dabei nirgendwo angeschlossen.
Die Spannung 230V ergibt sich aus der Formel:
Jetzt kommt der Kondensator ins Spiel
Nehmen wir den Motor, wie er ist, klemmen einen Kondensator dran und schalten ihn dann ein, fehlt dem etwas – nämlich jede Menge Spannung.
Was vorher Phase-Phase war, ist jetzt Phase-Neutralleiter und da liegen nun mal nicht mehr als 230V an. Nach der oben genannten Formel ergibt sich eine Strangspannung von 133V.
Weil dem jede Menge Spannung fehlt, ist der Leistungsverlust also noch höher als die ohnehin schon gewaltigen 30%. Der Gaul zieht nicht, wenn man ihn nicht füttert.
Die Steinmetzschaltung, wie sie funktioniert
Also muss eine andere Lösung her. Der Motor muss für den Steinmetzbetrieb im Dreieck geschaltet werden. Wenn das überhaupt geht.
Mit der Schaltung, wie im Bild, haben wir dem Motor die Spannung gegeben, für die er gewickelt wurde.
Die Steinmetzschaltung ist komplett.
Der Motor sollte laufen (eher lahmen, aber das hatten wir ja schon).
Die Schaltung funktioniert aber nicht immer. Es gibt nämlich etliche Motoren, die nur 3 Wicklungsausführungen zum Klemmbrett haben. Der Sternpunkt ist in der Motorwicklung zusammen geschaltet und da kommt man nicht dran. Den Motor im Dreieck zu schalten ist also völlig ausgeschlossen.
Haben Sie einen solchen Motor, dann vergessen Sie die Steinmetzschaltung, außer Sie wollen mit einem Kreissägenmotor einen Küchenmixer antreiben.
Am Motorklemmbrett sieht das dann so aus
Wie groß muss der Kondensator sein?
Als Faustformel rechnet man mit einer Kapazität von 70 µF pro Kilowatt Motorleistung.
Sie wollen es doch versuchen, Ihren Drehstrommotor mit Wechselstrom laufen zu lassen?
Bei uns im Shop bekommen Sie dazu den passenden Kondensator (Faustformel: 70 µF pro kW Motorleistung)
Zusammenfassung
Die Steinmetzschaltung ist eine reine Notlösung, die oft genug nicht funktionieren kann.
Man kann Sie verwenden, wenn motorseitig die Voraussetzungen gegeben sind, man Motoren ohne Last starten möchte und 30% Leistungsverlust akzeptieren kann.
Hat man einen Normmotor – Abmessungen, Flansche, Wellendurchmesser sind genormt – sollte man lieber auf einen Wechselstrommotor mit gleicher Baugröße umsteigen.
Hat man einen Sondermotor und kann den Leistungsverlust nicht hinnehmen, besteht noch die Möglichkeit, den Motor von Drehstrom auf Wechselstrom umwickeln zu lassen. Elektromaschinenbaubetriebe können solche Wicklungen berechnen und den Motor entsprechend wickeln.